Fragen: Amikkus | Antworten: Ainvar, Alboîn | Übersetzung: - | Datum: 20.06.2014
Seid gegrüßt! Wer halbwegs sicher mit Suchmaschinen umgehen kann, kann sich relativ schnell seinen eigenen Reim auf den bisherigen Werdegang von EISMALSOTT machen. Die wirklich Interessierten (so wie ich) setzten sich aus gegebenem Anlass nochmals mit den bisherigen Veröffentlichungen auseinander, nur um später festzustellen, dass das Demo beziehungsweise die EP immer noch ziemlich töfte sind. Welches Gefühl kommt in Euch auf, wenn Ihr an die erste aktive Spanne der Band zurückdenkst? Woran ist es letztendlich gescheitert, dass - obwohl es angekündigt war - sich nichts mehr in EISMALSOTT tat und GEÏST (jetzt EÏS) quasi zu dem wurde, worauf die Erstformation hinarbeitete?
AINVAR: Den Rückblick finde ich vor allem verwirrend. Man hat es ja schon schwer genug mit den Assoziationen, die sich um alte Alben anhäufen... wenn es dann auch noch um eigenes kreatives Schaffen geht, watet man sofort knietief in emotionaler Archäologie.
Ganz pragmatisch ist mir vor allem wichtig, was ich für die Zukunft von Eismalsott lernen kann. Generell bin ich immer noch stolz auf das, was wir damals in Form von Snow White, Best Before: Spring und Patina erschaffen haben – besonders weil es zusammen ein so chaotisches, experimentelles Bild abgibt.
Die damalige Trennung ist für uns kein Thema mehr, die damaligen Gründe liegen lange hinter uns – sowohl persönlich, als auch was Eismalsott betrifft. Und Geïst hat sich zwar eingangs aus Eismalsott entwickelt, hat dann aber sofort eigene Wege eingeschlagen, was man meiner Ansicht nach auch klar aus dem Zweitwerk Kainsmal ersehen kann – trotz der unvermeidlichen Gemeinsamkeiten würde ich deshalb nicht sagen, dass wir damals als Eismalsott auf Geïst hingearbeitet haben.
ALBOIN: Für mich ist das eine sehr wichtige Zeit gewesen – tatsächlich haben sich da die Grundlagen gelegt für das, was wir später mit GEÏST und EÏS erreicht haben. Ich kann das nicht oft genug betonen, aber ohne Aínvars damaligen Kompositionsstil klängen meine heutigen Songs nicht, wie sie klingen. Trotzdem haben wir es damals einfach nicht geschafft, eine gemeinsame Linie und Arbeitsweise zu entwickeln, woran das Fortbestehen vielleicht auch gescheitert ist. Letztlich muss ich mich aber anschließen: Das liegt in der Vergangenheit und spielt heute in keiner Hinsicht mehr eine Rolle.
Ihr habt vor kurzem auf der "Aufbruch zum Abgrund"-Tour gezeigt, dass EÏS und EISMALSOTT musikalisch koexistieren können, ohne sich unnötige Vergleiche anhören zu müssen - auch wenn mehr oder weniger die komplette Mannschaft von damals wieder mit dabei ist. Alboin, wie seid Ihr als Band mit diesem allabendlichen "Band-Wechsel" umgegangen? Galt es, einen inneren Schalter nach EÏS umzulegen oder geht man als Künstler mit einem festgesetzten Programm so um, dass solche gedanklichen Grenzen erst nicht entstehen können oder müssen? Gibt es nach Eurer beider Dafürhalten überhaupt so etwas wie eindeutige "ideologische" Abgrenzungen zwischen beiden Bands?
ALBOIN: Das „Umschalten“ zwischen beiden Bands fiel zumindest mir tatsächlich nicht immer ganz leicht, vor allem, weil ich als Sänger und wir als Band Songs gespielt und Texte repräsentiert haben, die nicht unsere sind, in denen aber mindestens Marlek und ich uns emotional sehr wohlgefühlt haben. Zumindest haben wir versucht, das auch optisch abzugrenzen, sowohl durch verschiedene Bühnenkleidungen als auch durch eine andere Dekoration. Ich kann nur für mich sprechen, aber emotional bin ich mit den beiden verschiedenen Auftritten auch anders umgegangen, gerade weil Eismalsott eine sehr viel rohere, spontanere Herangehensweise fordert. Trotzdem sind wir durch die 1:1-Überschneidung des Line-Ups vermutlich oft als eine Band wahrgenommen worden, was aber einfach nicht stimmt. In Zukunft werden wir das auch sehr viel klarer voneinander abgrenzen.
AINVAR: Für mich gibt es eine ganz klare ideologische und ästhetische Abgrenzung zwischen Eïs und Eismalsott – eine komplett andere musikalische, lyrische, konzeptuelle, grafische, und nicht zuletzt atmosphärische Herangehensweise. Was nicht erstaunlich ist wenn man bedenkt, dass Alboin und ich gerade genug Übereinstimmungen haben um die Zusammenarbeit möglich zu machen, ansonsten aber sehr verschiedene Charaktere sind.
Den Tour-Abschluss habt Ihr sodann zusammenfeiern können. Schloss sich mit Deiner Beteiligung, Aînvar, an diesem Abend im Hamburg eine Art Kreis, der es möglich macht, jetzt erst recht Vollgas geben zu können? Wie wahrscheinlich ist es, dass Du auch in Zukunft ein gelegentliches Gastspiel hinlegt und seinen Platz in der Band auch den jeweiligen Zuschauern vor Ort gegenüber klarmachst?
AINVAR: Das beschreibt sehr genau, wie wir selbst das Konzert empfunden haben. In gewisser Weise war es der letzte Test, um zu entscheiden, ob es eine Zukunft für Eismalsott gibt.
Ob Eismalsott weiter live auftreten wird ist eine Frage, die wir zu gegebener Zeit klären werden – im Moment konzentrieren wir uns vor allem um sowohl altes wie auch neues Liedmaterial.
ALBOIN: Mir war das sehr wichtig, und ich hätte schwer damit leben können, wenn wir kein einziges Konzert zusammen gespielt hätten. Tatsächlich hat das gezeigt, dass sich in den letzten zehn Jahren viel von alleine zurechtgerückt hat, und so rational ich sonst auch sein mag, aber das konnte ich nur als Zeichen interpretieren, dass die Zeit gekommen ist, dass wir wieder an Eismalsott arbeiten.
Nun zurück zum Neustart: Soweit ich darüber informiert bin, hast Du, Alboin, Aînvar über die letzten Jahre hinweg für die Idee einer erneuten Zusammenarbeit erwärmen können. Fühlten sich die unter Verschluss gehaltenen Songs aus der "Skogtaken"-Zeit für Dich wie "unfinished business" an? Warum war es Dir wichtig, diese sagenumwobenen Stücke doch noch einem breiteren Publikum zugänglich zu machen und wie gestaltete sich im Laufe der nächsten Zeit die Arbeit an ihnen?
ALBOIN: Diese Songs habe ich immer für sehr, sehr gute Stücke gehalten, auch wenn sie uralt sind – oder vielleicht gerade deshalb, denn sie sind so unverkopft entstanden, wie man das nach einigen Alben nur noch schwer wieder erreichen kann. Ähnlich wie mit den „Patina“- und „Kainsmal“-Alben konnte ich nicht damit leben, in welcher Form diese Stücke existieren, und wie halbherzig wir damit umgegangen waren. Deshalb fand ich es aus zwei Gründen wichtig, die Lieder behutsam zu überarbeiten und ihnen dann den Schritt an die Öffentlichkeit zu ermöglichen: Einmal natürlich für uns persönlich, als Frieden-Machen mit etwas Unabgeschlossenem, zum anderen, weil ich finde, dass der Black Metal gerade jetzt mehr von solchen Songs braucht.
Wie schon bereits an anderer Stelle festgehalten, fühlt sich "Weißblendung" als gut ausgetüftelte Ausgangsposition an. Weder verleugnet Ihr Wurzeln oder versucht Euch, im sowieso schon sehr eng abgesteckten 90er-BM-Kosmos neu zu positionieren noch wollt Ihr abstreiten, dass sich die allgemeine Herangehensweise an EISMALSOTT gewandelt hat. Inwiefern könnt Ihr beide diesen Feststellungen zustimmen, vor allem in Hinblick auf den eigentlichen Output?
AINVAR: Das sind Feststellungen, mit denen ich gut leben kann. Allerdings ist unsere Arbeitsweise zu allererst intuitiv, wobei das Material dann über längeren Austausch ausgelesen, zusammengeschweißt und poliert wird. Alboin und ich haben unterschiedliche Herangehensweisen an das Schreiben und Hören von Musik (insbesondere Black Metal), woraus sich anscheinend ein gutes Gleichgewicht ergibt.
Inwieweit hat sich das Material, das für "Skogtaken" gedacht war, ändern müssen, um Eurer heutigen Vorstellung davon, wonach EISMALSOTT klingen, zu entsprechen?
AINVAR: Wir haben natürlich teilweise das Material geändert oder ersetzt, aber das spiegelt nur unsere musikalische und konzeptuelle Weiterentwicklung wider – Eismalsott als Ganzes klingt für uns noch genau so, wie wir es damals begonnen haben.
ALBOIN: Dass sich das Material noch genauso anfühlt, war mir beim Überarbeiten und späteren Aufnehmen sehr wichtig, gerade in Abgrenzung zu den sehr ausgearbeiteten EÏS-Alben und der komplett verschiedenen Herangehensweise. Es handelt sich zu 95% um dieselben Songs, hier und da etwas flüssiger arrangiert, durch – wie ich finde sehr gelungene – Keyboards von S.atyrus.S ergänzt, und natürlich spielerisch etwas erfahrener dargeboten, aber im Großen und Ganzen hat sich nichts geändert.
Zehn Jahre nach der kurzfristigen Auflösung greift "Weißblendung" nebst sehr persönlichen Themen auch Titus Oates auf, der unter der Leitung seines Kollegen Robert Scott den Südpol erreichte, sich jedoch von einer norwegischen Expeditionstruppe geschlagen geben musste und unter mysteriösen Umständen starb. Warum erschien es Euch wichtig oder sinnvoll, Eure Rückkehr mit so einer tragischen Schlussnote abzurunden?
AINVAR: Mysteriös ist an Oates’ Tod nur, dass sein Leichnam nie gefunden wurde – alles andere hat Scott in seinem Expeditionstagebuch festgehalten: Dass die Expeditionsgruppe kurz vor dem letzten Versorgungslager in einem Schneesturm gefangen war; und dass Oates, bereits von Skorbut geschwächt, seinen Kameraden keine Last sein wollte.
Was mich an dieser Situation fasziniert, ist Oates’ klar durchdachte Entscheidung, sich den Elementen zu opfern – und die Frage, was seine letzten Gedanken waren.
Wie verliefen so im Allgemeinen die Aufnahmen zu "Weißblendung"? Wie habt Ihr Euch gegenseitig während dieses Prozesses erlebt? Schwebte im Vorfeld eine gewisse Vorfreude in der Luft? Habt Ihr Euch mit vermeidbaren Schwierigkeiten herumschlagen müssen oder verlief alles nach Plan?
AINVAR: Vorfreude vor allem darauf, nach 12 Jahren die CD in den Händen zu halten, und die Lieder hören zu können...
ALBOIN: Die Aufnahmen haben wir in Eigenregie durchgeführt, und das sehr spontan und in kurzer Zeit, allerdings in Deutschland, sodass Aínvar selbst nicht dabei sein konnte. Daher war das gegenseitige Erleben etwas schwierig, würde ich sagen... wobei ich den Eindruck gewonnen habe, dass wir ohne Worte exakt auf dasselbe Ergebnis hingearbeitet haben, da gab es zu keiner Zeit Unstimmigkeiten, und jeder von uns, der an den Aufnahmen beteiligt war, war absolut fokussiert und in der richtigen Stimmung für „Weißblendung“. Anders als vollkommen begeistert hätten wir dieses Projekt in dieser Zeit auch nicht stemmen können.
Hinsichtlich Liner Notes ist das Artwork zur CDr-Version überraschend spartanisch ausgefallen. Ein klassischer Fall von "Let the music do the talking"? Werden die Käufer der Kassette eventuell mit mehr Informationen belohnt?
AINVAR: Die grafische Gestaltung einer CD ist uns wesentlich wichtiger als geschriebene Informationen. Das Bildmaterial gibt uns die Gelegenheit, mehr Kontext zur Musik zu geben (und einen zusätzlichen Sinn anzusprechen) – wer genau welches Instrument wann gespielt hat ist beim Hören ja zweitrangig.
Was macht für Euch - im Nachhinein betrachtet, denn dann ist man ja immer schlauer - das Wesen von "Weißblendung" aus? Warum stellt es eine so immense Steigerung zum früheren Schaffen dar?
AINVAR: Weißblendung ist bisher die einzige Eismalsott-Veröffentlichung, die ganz klar ausdrückt, wofür Eismalsott musikalisch steht – wesentlich weniger experimentell, als die vorherigen. Ich hoffe, dass die CD deshalb auch wesentlich klarer, mehr aus einem Guss erscheint.
Danke für Eure Zeit! Zum Abschluss vielleicht noch ein kleiner Blick Richtung Zukunft - worauf werden sich EISMALSOTT als nächstes stürzen?
AINVAR: Wir werden noch eine Tape-Version und ein oder zwei T-Shirts zu Weißblendung veröffentlichen – davon abgesehen, arbeiten wir an mehr Liedmaterial für ein volles Album.
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