Kaum rotiert die Scheibe, bahnt sich die Abwärtspirale ihren Weg nach unten: Treibende Rhythmen gehen Hand in Hand mit ordentlich verzerrten, latent melancholisch bis depressiven Riffs, die eine unvergleichliche, weil hilflose Stimmung aufbauen. Einzelne Zusätze wie der hypnotische Part nach dem letzten Titeltrack-Vers oder das originelle Bassspiel am Ende von "Bonheur Amputé" geben der so schon sehr ordentlichen Basis das gewisse Etwas. Aber auch die akustischen Einwürfe, die stellenweise dramatischen Wendungen (Paradebeispiel: "Ruines Humaines") und der stark an Mortifera erinnernde, extreme Gesang des Frontmannes hinterlassen einen starken Eindruck. Genauso ist es um "Faiblesse Des Sens" bestellt, das allerdings eine komplette Genre-Verschiebung darstellt, schließlich zelebriert das Duo hier eiskalten Rock, der entfernt an spätere Katatonia erinnert. Stromlose Gitarren, langsamer Gang sowie eine singende Audrey Sylvain, die für Lyrik und Teile des Songs verantwortlich zeichnet, grenzen dieses Stück vom Rest ab. Gegen Ende nehmen Verzweiflung, Angst und Schrecken in Form von Cymbal-Gewitter, eingeworfenen Soli und einer absolut düsteren Abschlusspassage Überhand. Selbst "das Gefühl danach" könnte als typisches Trademark Neiges durchgehen, da diese bestechende, tief ins Herz eindringende Melodik, die diese kleine Scheibe größtenteils beinhaltet, wunderschön, gleichzeitig aber umso vernichtender tönt. Trotz aller Vorteile, an denen man "Ruines Humaines" festnageln kann, gibt es einen Kritikpunkt: Um eine wirklich effektive Atmosphäre zu schaffen, bedarf es in diesem Genre einer ordentlich bemessenen Spielzeit, im Schnitt circa 40 Minuten, Amesoeurs kommt auf gerade mal 16. Argumente des Typus "Dafür gibt's keine schlechten Lieder" zählen angesichts der überragenden Qualität der bisherigen Werke des Franzosen nicht, weil "R.H." schon vor anderthalb Jahren auf Band verewigt worden ist, in der Zwischenzeit also LOCKER ein paar Kompositionen mehr geschrieben werden konnten. Dumm nur, dass dem nicht so ist. FAZIT: Toller Start für ein Projekt, das viel für die Zukunft verspricht.
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