Im Gegensatz zum Vorgänger "Patina" wartet die Gruppe um Chefakrobat Alboîn mit einem Sound auf, der einerseits eine respektvolle Verbeugung vor Arckanums beklemmend heiß-kalter "Kostogher"-Atmosphäre mitsamt Melodien, die es locker auf jenen Klassiker geschafft hätten, darstellt, zum anderen aber vor allem in den flotteren, verspielteren Momenten an Urgehals basslastige Legende "Arma Christi" erinnert. Diese beiden Klangwelten bekamen darüber hinaus noch eine eigene Note in Form von dunkler, schleichender Synthetik zur Seite gestellt (wobei diese paradoxerweise auch von Gastmusikern mitgestaltet wurde), damit ja niemand auf den Gedanken kommen möge, Geïst seien Kopisten. Dafür haben sie sich binnen einem Jahr viel zu sehr weiterentwickelt, wird heutzutage schließlich in wesentlich eingängigeren Sphären gespielt. Man meint, ein Fadenkreuz aus den Songs herauszuhören, so zielgerichtet und entschlossen muten Lieder der Marke "In Pans Hallen" oder "Einst war es Wein" an. Wo beim Debut noch eine Vielzahl an "Entwicklungsmöglichkeiten" angeboten wurde - man merke den krassen Unterschied zwischen dem thrashig rotzenden "Jingizu" und der erhabenen Hymne "Winters Schwingenschlag" -, setzen die Nordlichter diesmal alles auf eine stilistische Karte... Die Ausführung: Ein wahr gewordener Traum. ...und hinterlassen nichts als verbrannte Erde und verdutzte Gesichter. "Kainsmal" gleicht einer Reminiszenz an alte Tugenden, die sich wie kaum ein anderes, dieser Tage erschienenes Werk so homogen und vor alledem lebendig (!) anhört. Den endgültigen Schuss in die Bestenliste dieses Jahres gibt hingegen die sonstwo vergeblich gesuchte Liebe zum Detail ab, die hier vielerorts zum Vorschein kommt und jedes Mal verzückt. Seien es Effekte im Gesangs-Bereich, verzerrte, eine Trance nachahmende Gitarrenpassage oder das treffsichere Einsetzen von rhythmischen Wechseleinlagen (Endphase von "Lykoi") - in diesem Metier sind die Deutschen einsame Spitze. In Sachen Passgenauigkeit, Authentizität und Haltbarkeit des Liedguts auch. Sowas wie Fehler oder Schnitzer gibt es hier schlichtweg nicht, mit diesem knapp vierzigminütigen Album hat Geïst das für heutige Verhältnisse Unmögliche möglich gemacht: Eine Aufnahme zu schaffen, die alt wirkt, dabei jedoch gleichzeitig so dynamisch und frisch klingt, dass einem schlecht vor Glück werden könnte. FAZIT: Zeitlos. Und vor daher perfekt.
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